Langwaffenpatronen wiederladen

Im Prinzip ist der Wiederladevorgang ähnlich den Kurzwaffenpatronen. Allerdings verhält sich die Hülse der Langwaffe (z.b. .223 Rem) nicht so pflegeleicht, wie bei Kurzwaffenhülsen (z.B. .45 Auto).

Es fängt bereits beim Matrizensatz an, die sich in der Zusammensetzung und Arbeitsweise zueinander unterscheiden. Z.B. gibt es Matrizen, die Zündhütchen ausstoßen und die gesamte Hülse kalibrieren oder nur den Hülsenhals. Es gibt auch Kalibriermatrizen ohne Zündhütchenausstoßer. Um alle Eventualitäten abzudecken, benutze ich:

  1. Hülsenhalskalibrierer mit Ringeinsatz (Ringeinsatz z.B. Redding Competition oder RCBS Gold Medal)
  2. Hülsenkörperkalibriermatrize ohne Hülsenhals (oder notfalls Vollkalibriermatrize)
  3. Geschosssetzmatrize (idealerweise mit Mikrometerschraube)
  4. Zündhütchenausstoßende Matrize. Kann von Lee sein oder eine der beiden Kalibriermatrizen übernimmt das.
  5. Patronenlehre (mit min. max. Anzeige)
  6. Hülsenhalstrimmer (für die Längenkorrektur)
  7. Hülsenmundentgrater (für Innen und Außen)
  8. Hülsenfett (z.B. von Dillon case lube und Redding imperial dry neck lube)

Für mich ist vorrangig die fehlerfreie Funktion und eine Wiederladepräzision entsprechend meinem Können wichtig. Man kann das Thema noch weiter auf die Spitze treiben. Es gibt noch mehr Messwerkzeuge, um den Rundlauf von Hülse und Geschoss zu überprüfen oder z.B. Geschossbearbeitungswerkzeuge. Für max. Präzision sollte der Pressenstempel zur Matrize genau in der Flucht sein. Ansonsten presst man immer leicht schräge Munition.

Ich gehe einfach mal davon aus, dass bereits bekannt ist, welches Geschossgewicht und welche Ladung zum eigenen Gewehr passt. Das sind Themen, die man vor bzw. mit dem Kauf wissen sollte.

Messen mit der Hülsenlehre

Dieser Schritt entscheidet, welche Folgeschritte notwendig sind. Zuerst tauche ich den Hülsenmund in die Dose mit Kügelchen und Trockenschmiermittel. Damit sind der Hülsenhals und die Hülsenschulter geschmiert. Mit der Hülsenhalskalibriermatrize wird der Hülsenhals wieder auf Maß gebracht. Da beim Zurückfahren des Pressenstempels auch die Innenseite der Hülse kalibiert wird, ist es wichtig, dass die Innenseite auch geschmiert ist. Das geht mit dem Trockenschmiermittel und Kügelchen besser als mit Hülsenfett zum Sprühen. Geht die Hülse danach ohne Kraft in die Patronenlehre und hält das Maß, muss lediglich der Hülsenmund entgratet werden. Andernfalls muss der Hülsenkörper kalibriert werden. Dazu die Hülsen mit einem Hülsenfett einsprühen oder einreiben und dann mit der Vollkalibriermatrize auf Maß bringen. Lee hat bei seinen Vollkalibriermatrizen eine seitliche Bohrung, die überschüssiges Hülsenfett abfließen lässt. Denn ist zu viel Hülsenfett aufgetragen und die Vollkalibriermatrize hat keine Ausgleichsöffnung, dann kann sich das Fett an einer Stelle sammeln und erzeugt durch den Druck eine Delle in der Hülse (unterhalb der Hülsenschulter).

Messen mit dem Messschieber

Was bei Kurzwaffenhülsen (zumindest bei mir) nie nötig war, ist bei Langwaffenhülsen Standard. Mit jedem Schuss streckt sich die Hülse ein wenig. Damit der Hülsenhals nicht bis zu den Feldern und Zügen gedrückt wird, muss die Länge entsprechend angepasst werden. Die Länge findet ihr auch bei den Ladedaten. Mit der Patronenlehre kann man zwar sehen, ob die Hülse sich zeischen Min und Max bewegt, aber nur mit dem Messschieber kann genau überprüft werden, ob alle Hülsen die gleiche länge haben.

Trimmen

Es gibt klassische Hülsentrimmer, bei denen die Hülse eingespannt und per Handkurbel und Führungsdorn auf das gewünschte Maß gebracht werden kann. Alternativ gibt es von Lee z.B. eine Quick Trimm Matrize, die in Verbindung mit der Wiederladepresse und einem Fräßkopf die Hülse auf Maß bringt. Den Fräßkopf gibt es mit einer Handkurbel oder zum Einsetzen in einen Akkuschrauber. Die Lösung von Lee ist dann sinnvoll, wenn man z.B. große Mengen an gebrauchten Hülsen kauft und nicht Wochen damit verbringen will, die Hülsen auf Maß zu bringen. Die Hülsen müssen dafür fettfrei sein, da sie in der Trimmmatrize mit einem Gummiring gehalten wird.

Zündhütchen

Sofern das Zündhütchen nicht mit einem der Kalibrierschritte ausgestoßen wurde, kann z.B. die Lee Decapping Matrize nutzen, die lediglich das Zündhütchen ausstößt.

Hülsen reinigen

Zuerst geht die Hülse durch einen Nassreinigungsprozess. Jedes Verfahren ist geeignet, welches die Hülse Innen und Außen von Ablagerungen befreit. Ich nutze dazu den Wet Tumbler von Frankford Arsenal mit Stahlstiften. Die getrockneten Hülsen kommen dann für bis zu 3 Stunden in einen Tumbler mit Maiskörpergranulat von Lyman (grün). Mit entsprechenden Zusätzen kann der Poliervorgang verkürzt werden. Die sauberen Hülsen sind dann auf Beschädigungen zu prüfen (z.B. Risse).

Wiederladen

Das neue Zündhütchen setze ich mit einem Handsetzgerät. anschließend erfolgt die Füllung mit der abgewogenen Pulverladung (z.B. Balkenwaage oder automatischer Pulverwaage). Das Geschoss kann den eigenen Bedürfnissen entsprechend gewählt werden. Für das sportliche Schießen empfiehlt sich ein Geschoss mit Bootsheck und Hohlspitze (Hollow point boat tail – HPBT). Dieser Geschosstyp lässt sich auch gut setzen. Das Gewicht muss zum Drall des Laufs passen, da sonst keine vernünftige Präzision erzielt werden kann. Das Geschoss muss dann, den Ladedaten entsprechend, mit der korrekten Gesamtlänge der Patrone gesetzt werden. Die Geschosssetzer mit Mikrometerschraube haben den Vorteil, dass sie das Geschoss durch ein seitliches Fenster aufnehmen und gerade halten, bis es fertig gesetzt ist. Damit sollen schief gesetzte Geschosse verhindert werden.

Crimp (oder nicht?)

Es gibt (z.B. von Lee) Factorycrimpmatrizen. Diese ziehen den Hülsenhals mit 4 Spannbacken ein und sorgen damit für einen festen Sitz des Geschosses. Das macht (aus meiner Sicht) in 2 Fällen Sinn. Zum einen, wenn die Patronen in einem Magazin verwendet werden und der Schuss keinen Einfluss auf die Setztiefe haben darf. (z.B. Mehrlader Langwaffen wie das Mauser K98 oder Unterhebelrepetierer mit Röhrenmagazin). Zum anderen, wenn die fertige Patrone nicht 100% kraftfrei in die Patronenlehre geht. Ein leichter Crimp (eigentlich nur eine leichte Hülsenmundkorrektur) kann das Problem beseitigen.